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Markenanalyse

Standpunkt

<h1-red-light>“Made in Germany“ 3.0:<h1-red-light> Es wird Zeit, das berühmte Qualitäts-Label neu zu denken.

15.10.2024
Andreas Ebeling

Was verbinden Sie mit “Made in Germany“?  "Hohe Qualität", "erstklassige Verarbeitung", "Langlebigkeit", "Ingenieurskunst" sind bei den vielen Menschen Top-of -mind, wenn es um Produkte aus Deutschland geht. Damit verbunden sind Tugenden wie Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Präzision, Disziplin - die dazu beigetragen haben, dass "Made in Germany" zu einem einzigartigen Gütesiegel geworden ist.

Gut 200 Jahre ist es her, dass Deutschland erstmals als Land mit bestimmten typischen Eigenschaften in den Blick gerückt ist: „De l’ Allemagne“ erschien 1813 in London und wurde schnell zum internationalen Bestseller. Es handelte sich um einen Reisebericht der Baronin Anne Louise Germaine de Staël, die aus ihrem Londoner Exil heraus ihre Sicht auf die Deutschen veröffentlicht hatte. Das Narrativ vom “Land der Dichter und Denker“ nahm hier seinen Anfang und ist bis heute in den Köpfen vieler Menschen verankert. Deutschland war noch kein Staat im engeren Sinne, aber es schien eine typisch deutsche Mentalität zu geben: Ein Land der friedliebenden Grübler mit einer Vorliebe für Tiefsinniges, für Philosophie, Musik und Literatur. Interessanterweise also ganz andere “Assoziationen“ als die zum heutigen “Made in Germany“.

Der eigentliche Begriff “Made in Germany“ wurde Ende des 19 Jahrhunderts eingeführt, ursprünglich als Siegel, um britische Qualitätserzeugnisse vor der schlechten Qualität deutscher Plagiate zu schützen. Heute schwer vorstellbar, hatten Produkte aus Deutschland damals einen zweifelhaften Ruf, vergleichbar mit dem chinesischer Billigprodukte heute. Tatsächlich aber verbesserte sich die Qualität der Produkte „Made in Germany“ zusehends. Aus dem Label, das als Warnhinweis gedacht war, wurde ein Qualitätssiegel, im Prinzip also eine Umkehrung des ursprünglich gedachten Markenkerns.

Erstklassige Qualität ist seitdem das Kernversprechen der Marke “Made in Germany“. Nach wie vor haben deutsche Marken und Produkte weltweit einen hervorragenden Ruf. Doch es gibt Signale, dass „Made in Germany“ seinen Zenit überschritten hat.

Das Momentum der <h2-red>Erfolgsmarke<h2-red> „Made in Germany“ bröckelt

Gründe dafür gibt es einige: VWs Dieselgate hat zu einem Reputations- und Vertrauensverlust geführt, und auch andere deutsche Automarken waren daran nicht unbeteiligt. Deutsche Autos waren jahrzehntelang zentrale Treiber der Markenstärke “Made in Germany“. Auch wenn sich deren Images in wichtigen Märkten wie China und den USA seitdem erholt haben – ein Makel bleibt.

Trumps ‚“America First“ hat deutsche Marken zusätzlich unter Druck gesetzt. Besonders bei den 18-39-Jährigen hat das Mantra “Buy American“ Wirkung erzielt. Joe Biden führt die Agenda seines Vorgängers in diesem Punkt sogar fort, wenn auch weniger populistisch, sondern vor allem bezogen auf Beschaffungen des Staates und höhere Quoten für Bauteile aus amerikanischer Fertigung in Endprodukten.

Allerdings sollte man die Schuld keineswegs auf andere schieben. Dass Deutschland in den Zukunftsbranchen als weniger innovativ wahrgenommen wird, ist nicht verwunderlich, denn tatsächlich gibt es in der E-Mobilität, den digitalen Technologien oder dem E-Commerce derzeit keine wirklich herausragenden deutschen Akteure, weder in der öffentlichen Wahrnehmung noch in der Realität. Andere Länder holen auf oder haben Deutschland schon längst überholt.

Und auch in Deutschland selbst spürt man wenig Selbstvertrauen in die eigene Innovationskraft, vermisst klaren Willen zu Umsetzung. Bestes Beispiel: Die Tesla-Giga-Factory in Berlin-Brandenburg, die mit einer Geschwindigkeit Gestalt angenommen hat, wie es bei anderen Großprojekten in Deutschland schon lange nicht mehr der Fall war.

Es ist höchste Zeit für eine mutige neue <h2-red>Vision<h2-red>

Der Blick in die Geschichte zeigt: Das Image von „Made in Germany“ hat sich bereits mehr als einmal gewandelt.  Wobei ein so grundlegender Wandel wie zu Beginn des letzten Jahrhunderts gar nicht nötig wäre - heute geht es um eine konsequent geführte Evolution.
Sechs Richtungen, in die „Made in Germany“ neu gedacht und weiterentwickelt werden könnte:

  1. Weg vom Industriellen und vom Fokus auf Fertigungsqualität. Diese klassischen Top-of-mind-Assoziationen, die das Image von “Made in Germany“ über Jahrzehnte geprägt haben, müssen durch High-Tech-Geschichten ersetzt werden. Erfolge wie der Covid-19 Impfstoff von BioNTech schlagen international Wellen – davon brauchen wir mehr.
  2. Künstliche Intelligenz muss gepusht werden. Gerade bei physischen Produkten ist KI eine großartige Chance, auf den Stärken von “Made in Germany“ aufzubauen – nur halt in einem neuen Gewand.
  3. Nachhaltigkeit als Differenzierungsmerkmal. Im UN-Nachhaltigkeitsranking liegt Deutschland derzeit auf Platz 6, es gibt also noch Luft nach oben. Deutsche Unternehmen hätten aber gute Chancen, eine Spitzenposition bei klimaschonenden, nachhaltigen Lieferketten, Produktionsprozessen und Kreisläufen einzunehmen, wenn sich Politik und Unternehmen verbindliche Ziele setzen.
  4. Mehr „Beta“ wagen. Die deutsche Neigung zum Over-Engineering ist ein Handicap. In Bereichen, wo über Beta-Versionen das eigentliche Produkt erst unter Mitwirkung der User entsteht, käme man mit perfekt ausgereiften Produkten gar nicht erst an den Start.
  5. Mehr Tempo. In Kombination mit mehr Mut zu Beta-Versionen müssen Entwicklungen und Projekte schneller umgesetzt werden. Teils müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, teils kann Deregulierung helfen. Doch das ist keine Entschuldigung: Aktuell hat Tesla in Berlin-Brandenburg gezeigt, wie atemberaubend schnell auch innerhalb der Rahmenbedingungen gehandelt und umgesetzt werden kann.
  6. Ingenuity. Warum nicht das Narrativ vom „Land Dichter und Denker“ in Richtung Kreativität und Erfindungskraft weiterspinnen. In Kombination mit den klassischen Ingenieurtugenden könnte so ein einzigartiger neuer Markenkern von “Made in Germany“ entstehen, der auch ohne physisches Produkt funktioniert.

Neben der Formulierung einer Vision und Strategie für ein “Made in Germany 3.0“ ist ein weiterer Aspekt wichtig: Imageveränderungen brauchen Zeit. Je länger ein Markenbild bereits verankert ist, desto mehr Anstrengung und Geduld sind nötig, um es umzugestalten. Umso dringlicher ist es, diese große Chance jetzt anzugehen und zu nutzen.

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